Bullingers Briefwechsel vernetzt

Der Zürcher Reformator Heinrich Bullinger (1504–1575) hinterliess Zürich einen umfangreichen Briefwechsel von rund 12 000 Briefen. Mit der Digitalisierung der Briefe konnten bereits erste Meilensteine erreicht werden. Mit der Fortführung des Projektes soll der Briefwechsel nun auch inhaltlich erschlossen werden.

Der Briefwechsel Heinrich Bullingers stellt eine äusserst wertvolle Quelle für die Aufarbeitung der Geschichte und Kultur Zürichs, der Schweiz und ganz Europas dar. In einer ersten Phase des Forschungsprojektes «Bullinger Digital» wurden bisher nicht transkribierte Briefe durch eine automatische Handschriftenerkennung aufbereitet und lateinische Briefe mithilfe eines eigens trainierten maschinellen Übersetzungssystem nach Deutsch übersetzt. Die so angereicherten Scans der Briefe und deren Metadaten wurden auf der Webseite www.bullinger-digital.ch veröffentlicht und für die Öffentlichkeit verfügbar gemacht. Die Finanzierung für das umfangreiche Digitalisierungsprojekt konnte die UZH Foundation dank Spenden mehrerer Stiftungen und Privatpersonen sicherstellen. 

Das Projekt «Bullinger Digital 2.0»

Mit dem Folgeprojekt «Bullinger Digital 2.0» soll der Briefwechsel nun auch inhaltlich erschlossen und damit der Zugang zur Bullinger-Korrespondenz weiter verbessert werden. Den Benutzerinnen und Benutzern der Datenbank wird mit dieser inhaltlichen Erweiterung eine zielgenaue Durchsuchung des Briefkorpus ermöglicht und ergänzende Nutzungsmöglichkeiten der Korrespondenz geboten. Von der weiteren Erschliessung profitiert demnach nicht nur die Forschung, sondern auch allgemein an der Schweizer Reformationsgeschichte interessierte Personen.

«Heinrich Bullinger war eine herausragende Persönlichkeit und hat Zürich für lange Zeit zum Zentrum der reformierten Welt gemacht. Seine Briefe sind ein einzigartiges Zeugnis aus einer der wichtigsten Epochen unserer Zürcher Geschichte»

Prof. Dr. theol. Christoph Sigrist, reformierter Pfarrer am Grossmünster

Erweiterte Nutzungsmöglichkeiten der Bullingerbriefe

Durch die digitale Erschliessung des Briefwechsels konnte die Datenbank mit einer grossen Menge an Informationen gefüllt werden. Bislang lassen sich die Briefe allerdings nur mittels eingeschränkter Informationen suchen, zum Beispiel via Sender/Empfänger, via Datum oder via Ortschaften. Eine inhaltliche Suche nach Thema oder die Einbettung eines Briefes in einen grösseren Kontext ist dagegen nicht möglich. In der geplanten zweiten Projektphase soll deshalb der Inhalt der Briefe vertiefter erschlossen und verknüpft werden. Hierfür sollen Eigennamen (zum Beispiel Orts- und Personennamen) vom System automatisch erkannt und mit bestehenden und frei verfügbaren Wissensressourcen, wie beispielsweise Wikipedia, verlinkt werden. Weiter geht es auch um eine automatische Extraktion von Ereignissen und der Visualisierung der Narrativchronologie des Briefwechsels sowie um die automatische Kategorisierung der Briefe nach ihren inhaltlichen Themen mittels Schlagwörtern. Nebst der semantischen Anreicherung wird auch die Verlinkung zu anderen Briefwechseln von Zeitgenossen Bullingers angestrebt, was wiederum eine Visualisierung der wichtigsten Figuren des Reformationsprozesses in der Schweiz im 16. Jahrhundert sowie einen erweiterten Einblick in die Einflüsse von Heinrich Bullinger und seinen Korrespondenzkontakten ermöglicht.

«Bullinger Digital 1.0» – die Digitalisierung der Bullingerbriefe

  • Der überlieferte Briefwechsel Bullingers besteht überwiegend aus Briefen, die er selbst empfangen hat: Während von den Briefen aus seiner Feder lediglich 2 000 Stück erhalten geblieben sind, sind es etwa 10 000 Briefe, die an ihn geschickt wurden.
  • Zweidrittel der Briefe sind in lateinischer Sprache verfasst und ein Drittel in Frühneuhochdeutsch (FNHD). Mehr als 2 000 der Briefe weisen einen Mix dieser beiden Sprachen auf. Nur einzelne Briefe sind in einer anderen Sprache verfasst (Französisch, Italienisch, Griechisch).
  • 3 100 Briefe aus den Jahren 1523 bis 1547 wurden vom Institut für Schweizerische Reformationsgeschichte der Universität Zürich (IRG) bereits ediert. Die Edition umfasst Briefe von 350 Schreibern und hat eine Grösse von einer Million Wörtern in Latein, 250 000 Wörtern in FNHD sowie 75 000 Fussnoten und Kommentaren. Diese Informationen wurden in die Datenbank überführt.

Die physischen Briefe sind hauptsächlich im Staatsarchiv Zürich sowie in der Zentralbibliothek Zürich gelagert. Ziel von «Bullinger Digital 1.0» war es, alle Bullingerbriefe mitsamt den dazugehörigen Informationen in eine Datenbank einzuspeisen und freien Zugang zu den Daten zu gewährleisten Um den Überblick über den Bestand zu gewährleisten sind in der Vergangenheit zu den Briefen Karteikarten mit Metadaten wie Datum, Absender und Empfänger sowie Archivort erstellt worden. Diese Karteikarten wurden im ersten Schritt mittels automatischer Texterkennung OCR (Optical Character Recognition) in die Datenbank überführt.

Automatische Handschriftenerkennung

Zu 3 000 Briefen existieren noch keine Transkriptionen. Ein wesentlicher Bestandteil und gleichzeitig eine grosse Herausforderung des Projektes «Bullinger Digital» war daher die automatische Handschriftenerkennung mittels künstlicher Intelligenz. Da die Briefe von vielen verschiedenen Schreibern stammen und sich die Schriftzeichen für Latein und Frühneuhochdeutsch unterscheiden, müssen entsprechend viele verschiedene Handschriften vom System erkannt werden.

Beispiel eines vollständig digitalisierten Briefs

In der Detailansicht eines Briefes findet man folgende Informationen vor:

  • Metadaten (Datum, Absender etc.)
  • Regest (kurze Inhaltsangabe, sofern vorhanden)
  • Faksimile (originalgetreue Abbildung des Briefes mit Zoom-Funktion)
  • Transkription des Brieftexts
  • Übersetzung des Textes (mittels Button oberhalb der Transkription)

Bei diesem Brief von Oswald Myconius aus dem Jahr 1541 sind bereits alle Informationen auf der Website eingepflegt:



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