UZH-Dozentin und Erbrechtsexpertin Sandra Spirig (Bild: zvg)

«Mit einem Testament schafft man Klarheit»

Wann ist der beste Zeitpunkt, um den Nachlass zu regeln und worauf muss beim Erstellen eines Testaments geachtet werden? Die Erbrechtsexpertin und UZH-Lehrbeauftragte Sandra Spirig klärt auf.

Interview: Catja Frommen
 

Gibt es ein Testament, das Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?

Ich habe schon viel erlebt, aber ein Fall hat mich besonders berührt. Eine Erbin, die aus einer ausserehelichen Beziehung stammt, hatte zu Lebzeiten des Vaters ein sehr schwieriges Verhältnis zu ihm. Das Testament war ungenau formuliert und die Erbin auf eine längere Auseinandersetzung mit ihren Halbgeschwistern gefasst. Diese stimmten jedoch ohne Umschweife einer grosszügigen Lösung zu. Diese Geste war für die Tochter auch emotional ein wichtiges und schönes Signal.
 

Warum sollte man ein Testament machen?

Mit einem Testament schafft man Klarheit – viele Menschen fühlen sich befreit, wenn zu Lebzeiten alles geregelt ist. Ganz generell empfehle ich ein Testament, wenn man von der gesetzlichen Erbfolge abweichen möchte. Manchmal möchten Erblasser oder Erblasserinnen zum Beispiel etwas an Freunde oder Organisationen hinterlassen. Das ist nur mit einem Testament oder Erbvertrag möglich.
Wie geht man am besten vor, wenn man ein Testament machen möchte? Man muss ein paar Überlegungen anstellen. Wer sind die Pflichtteilserben? Wen möchte ich begünstigen? Was habe ich zu verteilen und wie möchte ich das tun? Ein Testament zu machen, ist eine sehr persönliche
Angelegenheit. Nicht jeder Mensch möchte sich mit dem eigenen Ableben beschäftigen und schiebt diese Frage deshalb vor sich her. Aber es lohnt sich, darüber nachzudenken, was mit dem Vermögen
dereinst geschehen soll.
 

Was passiert, wenn ich kein Testament mache?

Dann gilt die gesetzliche Erbfolge, und wie diese aussieht, hängt von der konkreten Familiensituation ab. Bei Alleinstehenden oder verwitweten Ehegatten ohne Kinder fällt das Erbe ohne Testament unter Umständen an weiter entfernte Verwandte oder – wenn es diese nicht gibt – an den Staat. Aufgrund der Revision des Erbrechts Anfang 2023 ist die frei verfügbare Quote gestiegen. Davon profitieren insbesondere Erblasserinnen und Erblasser mit Nachkommen, weil deren Pflichtteil neu kleiner ist.
 

Was bedeutet das?

Erblasserinnen und Erblasser können viel stärker als bisher eigene Wünsche umsetzen und zum Beispiel einen schönen Teil ihres Vermögens an Dritte oder Institutionen vermachen. Auch aus diesem Grund lohnt es sich, über ein Testament nachzudenken. Gleichzeitig erlauben die kleineren Pflichtteile auch eine grössere Ungleichbehandlung von Nachkommen (Kindern), was zu heftigeren Erbstreitigkeiten und grösseren Verletzungen führen kann. Deshalb sollte man ein Testament nicht überstürzt machen, sondern sich gut überlegen, welche Wirkung es erzielt.
 

Warum sieht das Schweizer Recht überhaupt Pflichtteile vor?

Pflichtteilen für Kinder und Ehepartner oder eingetragene Partnerinnen liegt die Idee zugrunde, dass
es eine gewisse Verantwortung und Verbundenheit innerhalb der Familie gibt. Das ist aber nicht überall so. Angelsächsische Länder zum Beispiel haben eine viel liberalere Einstellung und kennen keine Pflichtteile für Kinder oder Ehepartner und -partnerinnen. Der Erblassende kann in diesen
Ländern (mit wenigen Ausnahmen) völlig frei über sein Vermögen verfügen.
 

Welche Bedeutung hat das gemeinnützige Geben bei der Nachlassplanung?

Das hat – so meine Erfahrung – eher eine eingeschränkte Bedeutung. Es sind vor allem kinderlose Paare oder Einzelpersonen, die diese Möglichkeit in Betracht ziehen. Oft haben diese Personen (noch) keine klare Vorstellung, welche Organisation sie begünstigen wollen. Ich kann ihnen den Entscheid jeweils nicht abnehmen, aber empfehle, Augen und Ohren offenzuhalten. So können sie herausfinden, welche Themen ihnen am Herzen liegen. Im Testament oder Erbvertrag muss die Organisation dann präzis bezeichnet werden. Bei einem sehr grossen Vermögen macht es allenfalls Sinn, bereits zu Lebzeiten eine Stiftung zu errichten. So kann der Stifter oder die Stifterin Einfluss auf die Stiftungstätigkeit nehmen. Bei kleineren Vermögen ist es sinnvoller, bei einer Dachstiftung eine Unterstiftung zu errichten. Es entstehen weniger Kosten und der administrative Aufwand ist geringer. Wir haben in der Schweiz einige ausgezeichnete und seriöse Dachstiftungen.
 

Was ist der beste Zeitpunkt, um den Nachlass zu regeln?

Das kommt auf die Familiensituation an. In komplizierten Verhältnissen oder bei Personen ohne Ehegatten und Nachkommen empfehle ich, eher früher über ein Testament oder einen Erbvertrag nachzudenken. Nachlassregelungen sind ja auch nicht statisch, sondern können angepasst werden (ein Testament immer, ein Erbvertrag mit Zustimmung der anderen Vertragspartei ). Ohnehin sollte man seinen letzten Willen immer mal wieder überprüfen und an neue Bedürfnisse anpassen.
 

Wann sollte man eine Rechtsberatung hinzuziehen?

Ich rate grundsätzlich in allen Fällen, eine Fachperson hinzuzuziehen. Ich habe schon zahlreiche Erbstreitigkeiten gesehen, die sich durch ein klares und widerspruchsfreies Testament hätten vermeiden lassen. Dann gibt es Nachlassregelungen, die komplizierter sind und ein gewisses Know-how erfordern. Dazu gehören Vor- und Nacherbschaften, Nutzniessungen, Wohnrechte oder die Errichtung einer Erbstiftung. Man kann seine Wünsche auch zunächst in seinen eigenen Worten in
einem Testamentsentwurf niederschreiben und diesen dann von einer Fachperson prüfen lassen.
 

Was ist Ihr wichtigster Rat, wenn man ein Testament oder einen Erbvertrag errichtet?

Man sollte unnötige Verletzungen vermeiden und manchmal auch versöhnlich sein. Daneben sollte
die Nachlassregelung klar, einfach und präzise formuliert sein. So können Auslegungsschwierigkeiten
und Unsicherheiten bei der Nachlassabwicklung vermieden werden.
 

Herzlichen Dank, Frau Spirig, für das Gespräch!

 

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