Im Fokus: Den Umgang mit Künstlicher Intelligenz erlernen

Künstliche Intelligenz durchdringt unseren Alltag. Das stellt auch den universitären Lehr- und Forschungsbetrieb vor neue Herausforderungen. Wie werden KI-Tools in Lehre und Forschung verwendet und welche neuen Kompetenzen sind für den Umgang notwendig?

Die Lancierung von ChatGPT, einem Chatbot der amerikanischen Firma OpenAI, hat Ende 2022 für grossen Aufruhr gesorgt. Obschon Künstliche Intelligenz längst in unserem Alltag angekommen ist, hat ChatGPT noch einmal neue Wellen geschlagen. Schon heute finden KI-Tools in verschiedenen Bereichen regen Einsatz. Unter anderem im Lehr- und Forschungsbereich, wo sie Studierende,
Forschende und Dozierende dabei unterstützen, ihren Alltag effizienter zu gestalten. ChatGPT beispielsweise wird genutzt, um Fragestellungen zu formulieren, schneller zu recherchieren oder um Texte zusammenzufassen und zu vereinfachen. Doch nicht nur in Sachen Effizienz bieten die KI-Tools Unterstützung.

Noah Bubenhofer ist Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich. Er erforscht die Rolle von Sprache in der Gesellschaft und fokussiert sich dabei im Speziellen auf Künstliche Intelligenz und Large Language Models. Schon länger nutzt er Sprachmodelle und andere maschinelle Methoden, um Sprachgebrauch empirisch zu untersuchen. Der Sprachwissenschaftler erklärt: «KI-Systeme wie Chatbots ermöglichen individuellere Hilfestellungen für Studierende. Diese erhalten mit den Systemen eine Art Tutor zur Seite, mit dem sie sich Inhalte erarbeiten können. Aber auch in meinem Feld der Linguistik ist es beispielsweise eine riesige Hilfe, wenn die Hürden zu programmieren weniger hoch sind. Ein Chatbot kann dabei helfen, meine Ideen für eine Analyse umzusetzen.»

Herausforderungen von ChatGPT und Co.

Aufgaben immer häufiger zu delegieren, wird jedoch gerade in Bezug auf bestehende Lernprozesse vielfach kritisch diskutiert. So besteht die Befürchtung, dass sich Studierende gewisse Kompetenzen gar nicht erst aneignen: Lernprozesse, die sich vor allem durch ein bewusstes Verstehen und durch viel Übung und Erfahrung auszeichnen, fallen vermehrt weg. Ganz so einfach ist das allerdings nicht, wie auch Bubenhofer betont: «Die Systeme liefern nicht ein fertiges Ergebnis. Vielmehr geht es darum, welche neuen Möglichkeiten durch die Kooperation zwischen Mensch und Maschine entstehen.» Gerade wenn es um Qualitätskontrolle geht, muss die kritische Auseinandersetzung
mit den produzierten Inhalten im Vordergrund stehen.

Auch wenn Chatbots formell makellose Texte schreiben, können diese inhaltlich kompletter Nonsens sein. Die Tools besitzen keine Intelligenz, sondern simulieren diese nur. Ebenso fehlt ihnen ein menschliches Urteil. Dazu können systematische Fehler kommen, wenn Chatbots durch die Auswahl der Trainingsdaten (absichtlich oder unabsichtlich) in eine bestimmte Richtung gelenkt und damit Fehlinformationen, Vorurteile oder Diskriminierungen begünstigt werden.

AI-Literacy fördern

Genauso wie mit der Einführung des Taschenrechners neue Regulierungen nötig wurden, werden diese auch für KI-Tools etabliert werden müssen. Wichtig ist dabei ein transparenter Umgang mit den Tools. Studierende und Forschende müssen ebenso wie Dozierende neue Praktiken im Umgang mit KI-Systemen ausprobieren und einüben. Während lange Zeit das Produkt im Vordergrund stand, muss der Fokus nun auf den Prozess gerichtet werden. Wer beispielsweise einen Text verfasst, muss sich fragen: Wie und wo wird ChatGPT in meiner Arbeit angewandt? Was hat zu Problemen geführt und wo liegen mögliche Fehlerquellen? Es ist klar, dass sich dabei bewährte Unterrichtsinhalte und -formate, ebenso wie Lehrmittel und Leistungsnachweise, verändern werden. «Wir müssen uns fragen, welche Fähigkeiten die Studierenden haben sollen – und bei welchen es sinnvoll ist, dazu KI-Hilfe zu nutzen.» Bubenhofer plädiert deshalb für die Vermittlung sogenannter AI-Literacy: «Was muss man über Large Language Models und KI-Anwendungen wissen, um sinnvoll, verantwortungsvoll und kritisch damit umgehen zu können?» Fest steht: KI-Tools zu nutzen wird sich zum Standard entwickeln. Umso wichtiger ist es, dass AI-Literacy in Schulen und Universitäten gelehrt wird.

 

Meet the expert: Noah Bubenhofer

Noah Bubenhofer ist Professor für Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich. Seine Forschungsschwerpunkte liegen auf Künstlicher Intelligenz und Large Language Models und generell erforscht er die Rolle von Sprache in der Gesellschaft. Aktuell untersucht der Sprachwissenschaftler, welche Sprach-, Text- und Kommunikationskompetenzen notwendig sein werden, um AI produktiv, sinnvoll und verantwortungsbewusst einsetzen zu können. Schon länger nutzt er Sprachmodelle und andere maschinellen Methoden, um Sprachgebrauch empirisch zu untersuchen.

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