Irène Staehelin bei ihrer Arbeit. (Bild: Privatbesitz)

Irène M. Staehelin-Schindler: Ein Engagement für die Gerechtigkeit

Mit einem Legat der Anthropologin Irène M. Staehelin-Schindler entsteht an der Universität Zürich ein Forschungszentrum mit zwei Professuren zu Geschlechter-rollen, Religionen, Diskriminierung und Gewalt an Frauen. Wer war diese aussergewöhnliche Frau und was hatte sie dazu bewegt, dieses Vermächtnis zu hinterlassen?

Irène Staehelin hatte einen unerschöpflichen Wissensdurst. Sie hegte eine spezielle Faszination für die Evolution des Menschen, und Ungerechtigkeiten in der Welt bewegten sie zutiefst. Ihren eigenen Privilegien war sie sich stets bewusst und sie trug ein elementares Gefühl der Verpflichtung in sich, mit diesen Privilegien etwas Gutes zu tun. Als Ehefrau von Dr. Jenö C. A. Staehelin, ehemaliger Schweizer Diplomat und UNO-Botschafter, hätte sie das klassische Leben einer Diplomatengattin führen und als Aushängeschild für die Schweiz an der Seite ihres Mannes stehen können. Doch sie hatte ihre eigenen, darüberhinausgehenden Pläne.

Nach ihrem Studium an der UZH in Kunstgeschichte und Philosophie liess Irène Staehelin sich zur Fotografin ausbilden, eine Tätigkeit, für die sie bereits früh ein Flair entwickelt hatte. In den 1990er-Jahren reiste sie zum ersten Mal nach Südafrika, um die Felsmalereien der San, der dort ansässigen Ureinwohnerinnen und Ureinwohner, fotografisch zu dokumentieren. Sie lernte das San-Volk kennen und war bestürzt ob der Diskriminierung, welche die indigene Bevölkerung im Süden Afrikas in ihrer Geschichte erleben musste. Getrieben von ihrem Gerechtigkeitssinn, sah sich Irène Staehelin verpflichtet, den San bei der Bewältigung ihres Traumas zu helfen.*

Um als weisse Person in Südafrika einen angemessenen Zugang zu den lokalen Menschen zu finden und auch um mit ihrem Engagement ernst genommen zu werden, begann sie im Alter von 50 Jahren das Anthropologiestudium an der Boston University (USA). Sie schloss das Studium mit einem «Master of Arts in Anthropology» und einem «Graduate Certificate in African Studies» ab.

Von Geschlechtern und Religionen

Bereits zuvor befasste sich Irène Staehelin intensiv mit den Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern und hing der Frage nach, was Männer und Frauen biologisch wie auch sozial unterscheidet. Durch das Anthropologiestudium lernte sie, dass soziale Geschlechtsunterschiede –
insbesondere die Unterdrückung von Frauen – nicht in allen Kulturen gleich ausgelegt werden und dass diese Unterschiede stark von religiösen Ansichten beeinflusst sind. So beschäftigte sich Irène Staehelin schliesslich mit der Frage, welche Aspekte der sozialen Geschlechtsunterschiede tatsächlich von einer Religion vorgegeben werden und inwiefern die Religion als Vorwand dient, um Frauen nicht die gleichen Rechte wie Männern zuzuschreiben.

Irène Staehelins tiefsinnige Auseinandersetzung mit Ungleichheiten und der Diskriminierung von Frauen und Minderheiten definierten ihr unermüdliches Engagement für Gerechtigkeit und Menschlichkeit. Ihr Charakter zeichnete sich durch Demut, Empathie und einen feinfühligen Zugang zu benachteiligten Menschen aus. Durch das Errichten eines Forschungszentrums und die Finanzierung der beiden Lehrstühle an der UZH wird Irène Staehelins Lebenswerk fortgesetzt. Ihre tiefsten Herzensangelegenheiten, die sie als Mensch prägten, werden damit weiterleben.

Die UZH und die UZH Foundation danken der Irene M. Staehelin Stiftung für die grosszügige Spende und für das entgegengebrachte Vertrauen.
 

* Die San sind das älteste Volk der Welt. Sie wurden über Jahrhunderte hinweg ausgebeutet und vertrieben. Irène Staehelin gründete schliesslich das San Heritage Center «!Khwa ttu».

Das neue Forschungszentrum

Das Forschungszentrum «Evolutionary Anthropology and the Study of Religion and Women in Society» ist ein Center, das zwei Professuren aus unterschiedlichen Disziplinen miteinander vereint. Die erste Professur widmet sich der evolutionären Kulturentwicklung und den Geschlechterrollen des Menschen. Die zweite Professur befasst sich mit der Diskriminierung von und Gewalt an Frauen. Sie soll die sozialgeschichtliche Rolle der drei grossen monotheistischen Religionen untersuchen – und die damit zusammenhängende systematische Unterdrückung der Frau.

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