Noch immer gehört die Arktis zu den am wenigsten vom Menschen erschlossenen Gebieten der Erde. Mit dem Klimawandel ändert sich das: Das Meereis schmilzt, neue Seewege entstehen und bislang unzugängliche Ressourcen rücken in den Fokus wirtschaftlicher Interessen. Dank einer grosszügigen Privatspende konnte die zunehmende menschliche Präsenz in der Arktis erstmals umfassend analysiert werden.
Extreme Kälte, lange Dunkelphasen im Winter und schwer zugängliche Gebiete machten es lange Zeit beinahe unmöglich, sich in der Arktis dauerhaft niederzulassen. Doch mit den immer wärmeren Temperaturen (die Arktis erwärmt sich etwa viermal schneller als der globale Durchschnitt) ändern sich diese Bedingungen. Um eine nachhaltige Entwicklung in der Region zu gewährleisten und Umweltbelastung zu vermeiden, müssen die menschlichen Aktivitäten genau erfasst werden. Ein umfassender Überblick fehlte jedoch lange.
Das änderte Cengiz Akandil mit seiner Doktorarbeit. Unter der Leitung von Gabriela Schaepman-Strub, Professorin am Institut für Evolutionsbiologie und Umweltwissenschaften der UZH, und zusammen mit einem internationalen Forschungsteam analysierte er Satellitenaufnahmen von künstlichem Licht bei Nacht. Im Zentrum stand die Entwicklung der Lichtverschmutzung, anhand derer sich feststellen lässt, wo in den letzten Jahrzehnten neue Infrastruktur entstanden und die Industrie gewachsen ist. Die Ergebnisse zeigen: Zwischen 1992 und 2013 nahm die Helligkeit in der Arktis jedes Jahr um fünf Prozent zu. Insgesamt sind bereits über 800 000 Quadratkilometer von Lichtverschmutzung betroffen – eine Fläche fast so gross wie Deutschland und Frankreich zusammen. Dabei stammen 85 Prozent des Lichts nicht aus Wohngebieten, sondern aus industriellen Aktivitäten.
Gefahren für die Umwelt
Für das ohnehin sehr empfindliche arktische Ökosystem haben diese Entwicklungen weitreichende Auswirkungen. So wird beispielsweise Rentieren durch das künstliche Licht die Anpassung an die Winterdämmerung und damit die Nahrungssuche erschwert. Auch wird das fragile ökologische Gleichgewicht schneller gestört durch Wachstumsverzögerungen von Pflanzen und der Ausbreitung invasiver Arten. Parallel dazu führen die Öl- und Gasförderung zu Umweltverschmutzung – ebenso der Bergbau, der auch expandiert. Die Ergebnisse geben aber auch Hoffnung. Mit der Untersuchung konnte eine wissenschaftliche Grundlage geschaffen werden, die es indigenen Gemeinschaften, Regierungen und anderen Akteuren ermöglicht, verantwortungsvolle Entscheidungen zu treffen, die die einzigartige Natur der Region langfristig schützen können.
«Kaum etwas ist in der heutigen Zeit so wichtig wie die Entwicklung und der Schutz unserer Erde. Wir freuen uns, einen Beitrag dazu leisten zu können.»
Dr. Urs und Barbara Stampfli
Von der Idee zur Umsetzung
Die Idee, menschliche Aktivitäten in der Arktis zu untersuchen, hatte Gabriela Schaepman-Strub bereits vor fünf Jahren. Cengiz Akandil griff diese Idee auf und entwickelte im Rahmen seiner Doktorarbeit einen detaillierten Projektvorschlag. Dank der grosszügigen finanziellen Unterstützung von Urs und Barbara Stampfli konnte das Projekt schliesslich erfolgreich vorangetrieben werden.
Für Gabriela Schaepman-Strub ist das Forschungsprojekt ein Beispiel dafür, was mit herkömmlichen Fördermitteln oft nur schwer realisierbar ist: «Das Forschungsprojekt gründete auf einer unsicheren Idee, die Zeit und Flexibilität erforderte, um sich zu entfalten. Durch die private Unterstützung wurde uns das Vertrauen geschenkt, dieses Vorhaben weiterzuverfolgen und schliesslich erfolgreich umzusetzen.»